Berechtigte Kritik?!

Gerade beschäftige ich mich mit den letzten Vorbereitungen für meine am Samstag in der Mainpost angekündigte Auswanderung in zwei Wochen. Die Übergabe meiner Wohnung steckt in den letzten Zügen, auf der Arbeit geht es rund, wichtige Projekte müssen abgeschlossen und letzte Besorgungen erledigt werden, mit meiner Abschiedstour bin ich auch noch nicht ganz fertig – und dann das…Ich war und bin ja immer noch überwältigt von den Reaktionen und Rückmeldungen auf den Artikel der Mainpost. Heute morgen jedoch, als ich bei guter Laune am Frühstückstisch saß und mir meine Mutter die heutige Zeitung vorlegte, war ich erstmal platt! Der Artikel “Ghanaer kritisiert Königskrönungen: „Inflationäre Vergabe von Titeln“” geht mir jetzt immer noch durch den Kopf, und nach einiger Überlegung wie und ob ich reagieren soll, hier nun das Ergebnis:

Nach Meinung von Herrn Zoryiku werden in Ghana zu viele Titel vergeben – das mag sein, kann ich persönlich allerdings weder mit Erfahrungen noch Zahlen be- oder widerlegen. Weiter ist es durchaus berechtigt die „Inflationäre Vergabe von Titeln“ zu kritisieren falls dies der Fall ist. Doch sehe ich dies bei meiner Geschichte etwas anders. Mag sein, dass durch den Artkikel in der Mainpost am Samstag ein etwas falsches Bild entstanden ist, dennoch sollte vor allem einem Journalisten bewusst sein, dass es unmöglich ist die komplette Geschichte von drei Jahren in einem kurzen Zeitungsartikel wiederzugeben.

Als ich den “Titel” angenommen habe hatte ich durchaus meine Zweifel ob ich als “Queen of Development” wirklich im Sinne des Dorfes und der Tradition entsprechend handeln kann. Auch die Erwartungen von den Dorfbewohnern von Tafi sind sicherlich nicht ganz leicht für mich zu erfüllen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass ich weder die traditionellen Lieder noch Tänze oder Gebete beherrsche, doch ich gebe mein Bestes und bin sehr lernfähig!

Meiner Meinung nach ist es doch sehr anmaßend eine Aussage wie “Die Tradition und Kultur ihrer „Untertanen“ sei eine Welt, „zu der sie keinen Zugang hat“.” zu treffen. Natürlich sehe ich mich nicht als Ghanaerin – wie auch, dazu sind die Kulturen und die Erfahrungen einfach zu unterschiedlich – dennoch habe ich in den letzten drei Jahren sehr viel dazugelernt, bin offen für alles Neue und bin davon überzeugt dass ich den Zugang zu den Traditionen durchaus bereits bekommen habe und auch weiterhin bekommen werde.

Nicht ohne Grund fliege ich in zwei Wochen “nach Hause” – denn Ghana ist mein zweites Zuhause. Ich habe dort “meine” Familie in der Volta Region, die aufgeschlossen ist und mir zum Glück den Zugang zu Traditionen und Bräuchen ermöglicht. Dafür bin ich sehr dankbar.

Die Menschen die mich kennen oder auch die fleißigen Leser hier auf meinem Blog, die meine Geschichte verfolgen wissen dass ich zu keinem Zeitpunkt mit dem Gedanken gespielt habe aus dem Titel Profit zu schlagen oder vor meinen Geschäftspartnern davor zu brüsten oder gar mich finanziell zu bereichern. Ich brauche keinen Titel um mich zu engagieren.

Wirklich schade finde ich dass Herr Zoryiku sich nicht persönlich an mich gewand hat um konstruktive Kritik anzubringen oder mir ein paar Ratschläge mit auf den Weg zu geben.

Ich werde mich von meinem Vorhaben auf jeden Fall nicht abbringen lassen – mein neues Zuhause wartet auf mich, meine Freunde in Arrca und die Einwohner von Tafi (die ich im übrigen niemals als meine “Untertanen” ansehen würde!) freuen sich auf mich und ich mich mindestens genauso auf sie!

Trotzdem sollte natürlich an dieser Stelle noch angemerkt werden, dass ich meine Heimat Würzburg nicht ohne Tränen aufgeben werde – doch ich weiß das meine Freunde und Familie hinter mir stehen und mich immer unterstützen – auch dafür bin ich sehr sehr dankbar!

Mal sehen ob ich es noch einmal schaffe mich vor meiner Abreise hier zu melden, aber ihr hört dann spätestens nach der Ankunft in Ghana wieder von mir ?

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4 Antworten auf Berechtigte Kritik?!

  1. Kristina sagt:

    Richtig – deine Familie (denn das sind wir) hier in Accra freut sich total auf deine Rückkehr! Drück dich!

  2. Christiane sagt:

    Mach weiter Lisa und lass Dich durch solche Menschen nicht verunsichern! Ich wünsche Dir viel Kraft und gutes Gelingen für Dein Projekt in Ghana. Alles wir gut :-)

  3. Lukas sagt:

    Tut mir sehr leid. Und kann verstehen, dass dich das trifft. Ich mein generell ist uns ja allen klar, dass wir als obruni besonders behandelt werden. Gerade in den Dörfern. Was dieser Journalist halt nicht weiß wie du dich fühlst und verhälst. Man muss aber objektiv sagen, dass die Anzahl der Voluntäre auf jedenfall inflationär ist. Du meisten davon stehen auch nicht so im Leben wie du, sondern sind 18 jährige die nach ihrem Abi “Welt retten wollen”. Die checken nicht um was es geht. Für die ist das Spaß und vermeintlich Gutes tun. Dieser Titel ist wohl auch Verpflichtung, aber wenn du diese annimmst steht dem doch Nichts entgegen. Dass du nach Ghana ziehst, zeigt doch nur wie Ernst dir die Sache ist. Vielleicht ist er auch bloß beleidigt, weil er keinen Titel bekommen hat, obwohl er ein paar Leute unterstützt. Also weitermachen und den Kollegen zeigen, dass er sich irrt. Kannst ihn ja mal einladen nach Tafi. Vielleicht kann der die Volta Region auch nicht ab. Woher kommt der Name? Norden?

  4. Pingback: Reaktionen auf die Veröffentlichung in der Mainpost | future-for-all.org

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